Tat ich. Dann stand ich ganz langsam auf, holte die Kamera vom Wohnzimmerregal – alles in Zeitlupe – und machte ein paar Bilder von dem Gast, den wir diesen Winter schon häufiger bei uns hatten, aber noch nie so, hm, so fotogen.
Zum ersten Mal in La Chaise-Dieu war ich mit einem Freund. 1983 im September, auf dem Rückweg vom Wandern in den französischen Alpen. Wir waren per Anhalter unterwegs gewesen und ich weiß beim besten Willen nicht mehr, ob wir durch Tramper-Zufall dort landeten oder willentlich. Ich weiß, dass wir uns anlässlich der Ankunft an so einem faszinierenden Ort eine für unsre damaligen Verhältnisse sündhaft teure Flasche Rotwein kauften und uns damit im Kreuzgang niederließen. Daraus wurde einer jener Abende, die man nicht vergisst, auch nie vergessen will.
Das zweite Mal war ich mit dem Fahrrad dort, alleine, 1992 im Juli. Es regnete seit Tagen und ich war schlechter Laune, ebenfalls seit Tagen. Auf der Treppe zum Hauptportal sprach mich eine junge Frau an, ob ich auf ihrem Hof in der Scheune übernachten wolle. Natürlich wollte ich. Ich konnte sogar mein Zelt dort trocknen lassen. Anderntags hatte ihr Sohn Geburtstag und so schenkte ich ihm mein Schweizer Taschenmesser. Dasselbe, das ich neun Jahre zuvor schon dabei hatte, in dem Jahr, als er geboren wurde.
Das dritte Mal war im September 2011 mit meinem Schatz, ebenfalls auf dem Heimweg. Wir kamen aus den Cevennen und dem Zentralmassiv. Diesmal regnete es nicht, mein Schweizer Taschenmesser konnte ich behalten. Bei diesem Besuch entstanden die folgenden Fotos.
Ich wünschte, ich hätte eine Digitale Mittelformat-Kamera für die Aufnahmen gehabt. Ich hoffe, sie vermitteln warum. Für eine etwas größere Darstellung klickt die Bilder bitte an.
Eigentlich noch öfter. Mit Digitaler Mittelformatkamera und großem, schwerem Stativ.
Im Zentrum von Brioude, einem Städtchen etwa 70 Kilometer südlich von Clermont-Ferrand, steht eine Kirche, deren Schönheit mich bezaubert hat.
Über die Geschichte der Stadt oder der Basilika steht viel ausführlicheres im Netz als ich zusammentragen könnte. Ich möchte nur ein paar visuelle Eindrücke teilen.
Die Kirche bildet das Zentrum einer kleinen Fußgängerzone; kein Wunder, die Sträßchen sind zu eng, um normalen Autoverkehr zu ermöglichen. Im Anschluss an die Apsis ein großer Platz, dahinter ein Museum, das der Geschichte Saint-Juliens und Brioudes gewidmet ist. Der Eintritt ist frei, der Blick auf die Kirche aus dem 2. Obergeschoss lohnt sich.
Gegen Personalausweis wird einem während der Öffnungszeit des Museums der Schlüssel zu einem Raum über dem Narthex ausgehändigt. Eine dunkle Treppe hoch gelangt man zur Michaelskapelle, die dem Publikum normalerweise verschlossen bleibt.
Der Blick von dort in das Mittelschiff lohnt den Aufstieg. Fast vergisst man, sich den wunderbaren Wand- und Deckenmalereien zuzuwenden. Tut man’s dann, packt einen der Zorn: Wo man ohne Hilfsmittel hinkommt, haben sich immer wieder hirnamputierte Besucher „verewigt“ – Initialen und ganze Wörter, oft auch bloß (Zerstörungslust? Mutprobe?) Kratzer in die alten Malereien geritzt.
Eine Schande.
Die Malereien und die Farbgebung der Kirche, sie fallen mir als kunsthistorisch schmerzhaft unbewandertem Besucher am deutlichsten als „anders“ auf. So bunt, so lebendig und trotzdem, hm, würdevoll kann eine Kirche sein?
Die Farben geben dem Raum eine warme Atmosphäre, nehmen die romanische Schwere des Baus etwas zurück. Im Jahr 2009 hat ein Dominikanermönch südkoreanischer Herkunft, Père Kim En Joong, sechsunddreißig Kirchenfenster neu gestaltet.
Ihre Farbgebung greift die warmen Farben der Wandmalereien auf. Der Stand der Sonne beeinflusst diese Farben und damit die Stimmung im Raum.
Die Gastgeberin in unserem chambre d’hôte war très enchanté, dass uns die modernen Fenster in diesem altehrwürdigen Bau gefielen. Sie berichtete von heftigen Kontroversen in der Stadt und der Region.
Ja, die Fenster gefielen uns, mir mehr wegen ihrer Wirkung auf die Lichtstimmung in der Kirche als wegen ihrer Motive.
Das Schönste an Saint-Julien jedoch war für mich, dass ich mich dort willkommen fühlte, obschon ich nicht gläubig bin.
Letztens hab‘ ich behauptet, der Ausgang der US-Wahl sei eine Niederlage der parlamentarischen Demokratie. (Große Worte für einen kleinen Sesselfurzer wie mich.)
Ich möchte noch nachtragen, dass ich nicht der Ansicht bin, der Sieg der Demokraten wäre unter Hillary Clinton ein Sieg für die Parlamentarische Demokratie geworden.
Clinton wäre wohl professioneller gewesen, hätte vermutlich die Regeln besser beherrscht. Das hätte hoffen lassen, dass sie und eine von ihr geführte Regierung sich auch eher daran halten. Ich fürchte aber, die dahinter stehende Idee ist ihr genauso scheißegal wie dem künftigen US-Präsidenten.
Auch kleinere Übel können zu groß sein. Wir werden es nicht erfahren, jetzt, wo wir dem größeren ausgesetzt werden.
Dieser Blog ist nach langer Pause wieder im Aufbau. (Ich habe den Web-Tarif gewechselt und zwischendurch die neuen Zugangscodes verschusselt, hatte auch – zugegeben vor allem – nicht den nötigen Antrieb, etwas zu schreiben.) Die alten Inhalte der ehemaligen Seite werden wieder eingestellt, so der Plan, und neue kommen – hoffentlich – wieder regelmäßig hinzu.
Danke für Eure Geduld.
Was mich zu der Frage führt: Liest hier wirklich jemand?
Ich habe Spaß beim Schreiben und ich hoffe, Du hast Spaß beim Lesen. Und beim Schauen, natürlich. Doch dieser Blog ist auch in meinen eigenen Augen nicht bedeutend. Er ist eine Art … digitale Flaschenpost für mich, platsch, hineingeworfen in die Wogen des WWW. Auch echte Flaschenpost ist inhaltlich meist nicht so bedeutsam. Meistens geht’s mehr um die Reaktion eines möglichen Finders, einer möglichen Finderin.
Also, wenn Du hier reinschaust … hinterlasse ruhig einmal einen Kommentar. Es ist schön zu hören, ob meine digitale Flaschenpost gefunden wird.
Viele, die Trumps Wahl so schrecklich finden, scheinen mir weniger um die politischen Folgen besorgt, als in erster Linie beleidigt zu sein, dass hier Stil und Erfolg in einem anscheinend so gigantischen Missverhältnis stehen. „Kann, darf jemandem, der mit so viel Geld ein so scheußliches Domizil eingerichtet hat, die Entscheidungsgewalt über die Atombombe übertragen werden?“ – Übersetzt: Darf jemand mit einem derart peinlichen Geschmack eine Präsidentenwahl gewinnen?
Die meisten der so erschrockenen KolumnistInnen sind, ich glaube durchaus zurecht, entsetzt über die peinliche Unfähigkeit des künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, sich angemessen zu betragen. Einige auch über die (wie auch ich finde – aber das ist persönliche Meinung) Unredlichkeit, die ihm schon aus dem Gesicht abzulesen ist, wenn er vor der Kamera das Wort ergreift.
Das mag so sein, oder wir irren uns. Egal, es geht an der Sache vorbei. Die Sache ist: Der künftige Präsident der USA ist nicht politisch. Und deshalb wurde er gewählt.
Konzernbosse sind nicht unbedingt bekannt dafür, die Interessen ihrer Widersacher gelten zu lassen. Politiker müssen das stets tun, sonst erleiden sie Schiffbruch. Sie oder das Gemeinwesen, das sie vertreten.
Mein (durch die Feuilletons der Zeitungen, die ich lese gefilterter, also befangener) Eindruck ist: Trump steht einer Reihe von untereinander durch familiäre Verpflichtungen verbundenen Unternehmen vor. Er hat keine Ahnung von „Politik“ als einer öffentlichen Sphäre, in der ein Gemeinwesen, sei es nun auf kommunaler oder auf internationaler Ebene, seine Belange regelt. Ein Konzernchef – genauer: Haupt einer Gruppe von Familienunternehmen – in der Politik, das weckt bei mir einfach keine Assoziationen von „Politik“, sondern von „Clan“, gar „Pate“, bestenfalls „Patriarch“. Genau das, denke ich, hat ihm so viele Stimmen eingebracht.
Der Sieg von Donald Trump ist ein untrügliches Zeichen, dass die Zahl der Menschen, die von „Politik“ die Schnauze voll haben und lieber einen Boss wollen, der (natürlich weise und gerecht!) ihre Dinge regelt, zu hoch geworden ist. Das aber ist doch kein „Sieg von Trump“. Das ist eine „Niederlage der parlamentarischen Demokratie“.