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Bildergalerie

Über den Wandel der Fotografie

Plattenwerk Dresden

Die Kapitel:

1. Fotografie: Dokumentation, Kontrolle, Kunst

2. Zeigt eine TIFF-Datei dasselbe wie ein Dia?

3. Wird die alte Fotografie aussterben?

4. Digitalfotografie und die Veränderungen der Fotografie
(in Arbeit)




Worum es hier geht:



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Schornstein, raucht nicht mehr


2. Zeigt eine TIFF-Datei dasselbe wie ein Dia?

Nein und ja. Eine Bilddatei repräsentiert etwas ganz anderes als eine Fotografie. Während die "analoge" Fotografie etwa 170 Jahre alt ist und damit in die sechste Generation geht, tritt seit vielleicht fünfzehn Jahren mit der digitalen "Fotografie" etwas Neues auf, dessen Unterschiede in mehr als einer Hinsicht bemerkenswert, aber schwer erfassbar sind.

Klassische Fotografie

Eine Fotografie entsteht durch Einwirkung von Licht auf chemische Substanzen. Ihr schließliches Aussehen hängt von den anschließenden chemischen Prozessen ab. Egal welcher Beeinflussung das Resultat unterlag, ursächlich lässt es sich immer auf die direkte Lichteinwirkung zurück führen. Daher auch erschauern die Nostalgiker, wenn sie Originale der ersten Plattenaufnahmen eines Nicéphore Nièpce oder Daguerre betrachten dürfen: sie erblicken schließlich das direkte Ergebnis der realen Lichtstrahlen, in die jene Fotopioniere ihre mit Teer bestrichenen Glasplatten hielten. Allerdings ist diese Unmittelbarkeit bereits bei der Betrachtung des fotografischen Abzugs von einem Negativ nicht mehr so ganz der Fall, der Ehrfurchtsschauer also eigentlich nicht mehr angemessen. Und die Reproduktionen alter Fotografien in Büchern oder Zeitschriften lassen diesen Aspekt der Authentizität vollends verblassen. Nur das Original, ein Negativ oder Dia, bietet ihn wirklich.

Digitale "Fotografie"

Auf die eins-zu-eins-Authentizität einer Daguerreotypie oder eines Negativs verzichtet digitale "Fotografie" von Anfang an. Wenngleich die alten Bekannten: das Licht, die optischen Gesetze, die Menschen noch mitwirken, entsteht eine digitale "Fotografie" im Grunde dadurch, dass entsprechend konditioniertes Silizium von Licht zur Abgabe elektrischer Impulse angeregt wird. Eine physikalische Reaktion, keine chemische. Nicht mehr das Licht selbst, sondern jene elektrischen Impulse werden in der Folge zur Ursache eines Bildes. Authentizität ade? Ja – und zwar auch in anderer und viel interessanterer Hinsicht: Es gibt kein Original mehr.

Das Original

Ein Negativ oder Dia ist ein Unikat. Es lässt sich vervielfältigen, das Negativ kommt ohne den vervielfältigenden Umkehrprozess gar nicht aus – aber immer lässt sich ein Foto auf ein bestimmtes, einmaliges Negativ oder Dia zurückführen. Digitale "Fotos" haben einen Entstehungszeitpunkt und es gibt eine Hardware, doch die ursprünglich aufgenommenen Daten sind identisch mit den digital vervielfältigten, es gibt keinen Unterschied zwischen denen, die auf der x-ten gebrannten CD darauf warten, ein Bild am Monitor zu erzeugen und den ersten auf der Speicherkarte abgelegten. Noch das beste Zweitnegativ weist solche Unterschiede auf, und die Zerstörung eines Negatives oder Dias ist gleichbedeutend mit dem Verlust der ursprünglichen Bildinformation. Nicht so die digitale "Fotografie". Wird sie kopiert, ist sie dem Original nicht bloß ähnlich. Sie ist das Original.

Spitzfindigkeiten

Die Spitzfindigkeit dieser Überlegungen lässt sich weiter treiben. Wer garantiert bei einer Fotografie die Echtheit der Bildinformation? Das Negativ/Diapositiv, mit anderen Worten ein gesetzmäßig ablaufender chemischer Prozess. Bei einer digitalen "Fotografie" existiert eine andere Art der "Gesetzmäßigkeit": Zwar ist anzunehmen, dass die enorm aufwendige und komplizierte Herstellung von charge-coupled devices (CCD, die "Bildsensoren" der Digitalkameras) unter gleich gearteten Bedingungen für gleichartige Stromimpulse sorgt. Aber diese Impulse werden durch (mir und Ihnen nicht bekannte) mathematische Operationen erst in Bilder "übersetzt". Obschon Sie und ich auch die chemischen Prozesse nicht kennen, die zum Bild führen, wissen wir doch, dass sie aufgrund ihrer Gesetzmäßigkeiten zu gleichen Resultaten führen. Anders bei der Computerdatei. Allein die Maschinen, die jene mathematischen Berechnungen ausführen, die schlussendlich ein Bild generieren, "garantieren" die "Echtheit" des Bildes. Mit anderen Worten: wir stellen uns nicht allein die Frage, ob eine Bilddatei dasselbe zeigt wie ein Diapositiv, sondern fragen auch noch: zeigt eine TIFF-Datei dasselbe wie eine BMP-, eine JPG-, eine GIF-Datei?

Fenstereine Türe ins FreieFabrik

Keine Spitzfindigkeiten mehr

Überlegungen dieser Art sind aber vielleicht gar nicht hilfreich zur Analyse der Unterschiede zwischen Fotografie und digitaler "Fotografie". Wenn wir von einem anderen Standpunkt aus zu beurteilen versuchen, was sie ausmacht, können wir vor allem die Erkenntnis brauchen, dass Digitalfotos ohne jeden Qualitätsverlust beliebig oft reproduzierbar sind und dass ihre Entstehung mehr auf physikalischen und mathematischen Eigenschaften beruht und weniger auf chemischen.

Gemeinsamkeiten

Im Herstellungsprozess der Abbildung überwiegen die Unterschiede, denn wo die Fotografie ihren Namen zu Recht trägt, der frei übersetzt "mit Licht zeichnen" heißt, müsste die digitale "Fotografie" eine Bezeichnung erhalten, die " mit Licht einen Datensatz erstellen" bedeutete. Ansonsten ist beiden Arten der Bildherstellung gemeinsam, dass nicht Menschen das Bild malen, sondern Licht abstrahlende Gegenstände den Ursprung der Bilder darstellen. Und das unterscheidet ein Bitmap-Foto denn auch von einer in einem Zeichen- oder Malprogramm erstellten Bitmap-Datei. So witzig es klingt, ist es doch ernst gemeint: nicht die "analoge" Fotografie ist eine analoge, sondern die digitale "Fotografie" ist eine Analogie zur Fotografie. Das Wort "analog" wird im Duden mit "ähnlich, gleichartig" übersetzt und "Analogie" dementsprechend mit "Ensprechung, Ähnlichkeit". Die Entsprechung digitaler Aufnahmen mit echten Fotografien ist so hoch geworden, dass wir die affigen Anführungszeichen bei der digitalen Fotografie künftig fortlassen wollen – dabei vergessen wir aber nicht, dass es nicht ein chemischer Prozess ist, den Menschen sich zu Nutze machen, der das Digitalbild erzeugt, sondern eine Vielzahl physikalischer und menschengemachter mathematischer Faktoren. Ein Digitalbild ist eine Unmenge binärer "Zeichen", auf eine ganz bestimmte Art und Weise dargestellt.

Und auf Papier?

Schwieriger wird‘s mit der Frage der genetischen Unterscheidung von fotografischen und digital erstellten Abbildungen auf Papier. Denn bis darauf, dass die kleinen Punkte verschiedener Farbe einmal unterschiedlich groß sind und sich unregelmäßig zusammmenballen (Abzug vom Negativ) und ein andermal regelmäßig in Größe und Lage auftreten (Druck von Bilddatei) sind die Unterschiede optisch nicht gravierend. Die Materialien sind ebenfalls andere, aber für unsere Überlegungen spielte das höchstens insofern eine Rolle, als wir in jedem Einzelfall der Frage nachgehen müssten, welches Trägermaterial und welche Pigmente das bessere Resultat zeigen. Viel bedeutsamer ist, dass die Weiterbearbeitung eines Digifotos am Rechner deutlich mehr Möglichkeiten zulässt als die in der Dunkelkammer, dass die Reproduzierbarkeit digitaler Fotos viel einheitlicher gewährleistet wird, dass digitale Bilder viel schneller verfügbar und viel billiger vervielfältigbar sind als Fotos, die entsprechende Hard- und Software vorausgesetzt und die entsprechenden Kenntnisse. Aber diese Einschränkung gilt sinngemäß genauso für die Fotografie.

FensterEine leere HalleFabrikgelände


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